Eine schöne Tradition, die am 16. September 2023 bereits zum 15. Mal stattfindet, ist der Tag der March-Thaya-Museen. Ein Kombiticket (8 €) gilt für neun Museen in dieser Region – in: Schrattenberg, Bernhardsthal, Rabensburg, Hohenau an der March, Niederabsdorf, Sierndorf an der March, Dürnkrut, Jedenspeigen (Kellerberg) und Stillfried. Sie haben zwischen 10 und 20 Uhr geöffnet und bieten ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm an, zum Teil auch Kulinarisches. Genaueres steht im offiziellen Folder (Download auf der Gemeindeseite Dürnkrut). Die Region erreicht man von Wien aus mit der Nordbahn sehr gut, und so lockt ein wunderbarer Tagesausflug.
Vor Ort fährt man am besten mit dem Rad gemütlich von einer Station zur nächsten und genießt die frühherbstliche Landschaft an Thaya und March. Schlösser, Kellergassen und Weinberge liegen auf dem Weg, und der Blick auf die Marchauen und die Kleinen Karpaten ist überwältigend. Das Land hat viel Geschichte erlebt. Die bekannte Schlacht von Dürnkrut/Jedenspeigen (1278) zwischen Rudolf von Habsburg und König Ottokar II. Přemysl gehört zu den wichtigen Daten der österreichischen Geschichte. Aber auch viele andere historische Spuren kommen an diesem Tag besonders gut zum Vorschein, sogar aus der Urzeit.
Von 28. bis 30. Juli 2023 ging in Gmünd und České Velenice das grenzüberschreitende Festival PŘECHODY ÜBERGÄNGE über die Bühne. Immer ein schöner Anlass, um die historisch spannende Region zu besuchen. Innerhalb weniger Tage kann man ein abwechslungsreiches Programm genießen, das viele Inspirationen, Anregungen und Begegnungen bietet. Was im Jahr 2004 erstmals anlässlich des EU-Betritts Tschechiens organisiert wurde, ist inzwischen eine liebgewonnene Tradition. Bereits zum zehnten Mal rückten die beiden Städte direkt an der Grenze für das fröhliche Fest enger zusammen, dank des großen Engagements von Thomas Samhaber und Brigitte Temper-Samhaber, deren Team und Freiwilligen.
Am Samstag (29. Juli) machte ich im Rahmen des Festival-Programms eine kleine geführte Radtour (20 km). Etwa zwanzig Personen schlossen sich der dreistündigen Exkursion „Grenzerfahrung“ an. Vom Stadtplatz Gmünd radelten wir über den Grenzübergang Böhmzeil in die Nachbarstadt, zum Bahnhof České Velenice, der ursprünglich als Bahnhof von Gmünd entstand. Die Folgen der Grenzziehung von 1920 – nach dem Zerfall des Habsburgerreichs – und das Erbe des Eisernen Vorhangs sind in der Region ganz deutlich zu spüren.
Es ergaben sich anregende Gespräche und Diskussionen. Bewohner*innen der Region, die bei der Radtour dabei waren, konnten sich noch an die Zeit des Eisernen Vorhangs erinnern: Vorfälle an der Nagelberger Straße direkt an der Grenze; Landarbeiter*innen am Feld in der Grenzsperrzone, die unter strenger Bewachung standen. Und wir können friedlich und frei in diesem Landstrich radeln, der zum „Grünen Band Europa“ (European Green Belt) wurde. Vom Eisernen Vorhang blieben Patrouillenwege, auf denen heute Radler*innen unterwegs sind. Wir passierten die verschwundene Ortschaft Krabonoš (Zuggers), die in den 1950er-Jahren der Grenzsperrzone weichen musste. Inzwischen breitet sich wieder etwas Leben aus und die Kirche wird schrittweise renoviert.
Im Wald in der Nähe des Grenzübergang Neunagelberg gingen wir einem konkreten Ereignis im Kalten Krieg nach. Ein Gedenkstein erinnert an den tschechoslowakischen Soldaten Adam Ruso, der am 30 September 1951 bei einer Schießerei mit drei Agenten ums Leben kam. Es ist aber nicht auszuschließen, dass ihn die Kugel eines Kameraden tötete. Der erfahrene Kurier Kar(e)l Gruber, der mehrmals Agenten oder Informationen in die Tschechoslowakei schleuste, wurde ein Jahr nach diesem Vorfall von der sowjetischen Besatzungsmacht aus Wien verschleppt. In einem Schauprozess erhielt Gruber die Todesstrafe. Sein bewegtes, junges Leben fand ein gewaltsames Ende.
Als Ausklang bot sich auf der Rückfahrt ein Aufenthalt bei der Kirche in Krabonoš (Zuggers) an, die während des Festivals ihre Tore offenhielt. Das stimmungsvolle Konzert des Emsembles Oyun im Kircheninnenraum war einer der vielen Höhepunkte von PŘECHODY ÜBERGÄNGE 2023.
Wichtige Hinweise
Wer im September die Region Gmünd/České Velenice besuchen will, kann sich an folgenden interessanten Veranstaltungen orientieren:
Seit Herbst 2022 kann man mit der App „Virtuell und hautnah – Geschichten vom Eisernen Vorhang“ der Zeit nachspüren, als eine „Todeszone“ Europa in Ost und West teilte. Mithilfe von Augmented Reality wurden zehn Geschichten entlang der Grenze aufbereitet (Download im App Store und Google play). Für dieses Projekt habe ich die erwähnte Geschichte von Karl Gruber und Adam Ruso anhand von Aktenmaterial aus Prag detailliert recherchiert. (Dafür war mir das Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung bei der Organisation der Dokumente behilflich – herzlichen Dank!)
Immer ein wichtiger Begleiter an der österreichisch-tschechischen Grenze ist mein Reiseführer „Grenzenlos Radeln (Bd. 1)“. 😉 Das Buch ist 2022 in zweiter – überarbeiteter – Auflage im Falter-Verlag erschienen.